Vizemeisterbesieger.

Das erste Duell zwischen Schalke und der gastierenden Hertha aus Berlin gab es bereits vor dem Anstoß: Auf beiden Seiten war unklar, ob das Team mit Fünfer- oder Viererkette auftrat. Letztlich wählten die Berliner ein 4-1-4-1/4-2-3-1, während Schalke in der altbekannten Fünferkette startete.

Herthas Formation war aber alles andere als in Stein gemeißelt. Gegen den Ball war sie maßgeblich von den Bewegungen der beiden Schalker Achter, Bentaleb und Rudy, abhängig. Das lag daran, dass Ondrej Duda Rudy und Grujic Bentaleb jeweils in Manndeckung nahmen. Letzter bewegte sich etwas höher im linken Halbraum, während Rudy eine leicht nach rechts versetzte Position vor der königsblauen Abwehr einnahm. In den meisten Situationen ergab sich so das

Grundformationen.

erwähnte 4-2-3-1.

Sebastian Rudy sollte den Sechserraum kontrollieren und umsichtig das Spiel aufbauen, nur war Schalke darauf überhaupt nicht vorbereitet. Die Mannschaft von Domenico Tedesco hatte keinerlei effektive Aufbaumechanismen zu bieten, geschweige denn einen Plan für das Erzielen von Toren, Standardsituationen in Richtung Naldo mal ausgenommen. Stattdessen wurde der Neuzugang Rudy durch Dudas Manndeckung komplett aus dem Spiel genommen und der Schalker Aufbau somit lahmgelegt.

Dabei hatte sich Tedesco eigentlich was überlegt: Aus der eigentlichen Fünferkette wurde ein 4-1-4-1-haftes Schema mit Baba und McKennie als Außenverteidigern, während Caliguri und Konoplyanka hoch und breit als Flügelstürmer fungierten. Breel Embolo konnte in der Folge einrücken und den rechten Halbraum besetzen, während Uth versuchte, Torunarigha und Rekik zu binden. Letztlich lief viel darauf hinaus, Konoplyanka oder Embolo den Ball zu geben, die jeweils aus recht passenden Umgebungen gefährliche Angriffe kreieren sollten.

Embolo pendelte seinerseits viel zwischen dem hohen Halbraum und der letzten Linie und sollte im Idealfall zwischen den Linien gefunden werde. Wenn das gelang, konnte sich Embolo sehr gut hinter Maier, der sich an Embolo bei zurückfallenden Bewegungen orientierte, drehen und anschließend in den freien Raum vor der Berliner Abwehr vorstoßen. Da sich Bentaleb aber mit Nachrückbewegungen zurückhielt und die beiden Flügelspieler zu breit positioniert waren, hatte Embolo nur Uth als Anspielstation und musste es sonst alleine versuchen, wurde dabei aber noch von den rückwärtspressenden zentralen Mittelfeldspielern der Hertha unter Druck gesetzt. So kam es von rechts nur zu kleineren Ansätzen.

Auf der linken Seite stellte Yevhen Konoplyanka den Schalker Zielspieler dar. Der Ukrainer ist ein exzellenter Eins gegen Eins Spieler und wurde deswegen mit simplen Pässen von Baba bedient. Anschließend suchte er das Duell mit Lazaro. Tatsächlich ging wohl die größte Gefahr für Hertha von diesen Szenen aus, da Konoplyanka sich einige ziemlich gefährliche Abschlüsse erarbeiten konnte, indem er recht simpel von links in die Mitte zog.

Viel mehr hatte der amtierende Vizemeister aber auch nicht zu bieten. Über weite Phasen der Partie hatte das Team überhaupt schon große Probleme damit, ins letzte Drittel zu gelangen, vom Sescher- oder Achterraum ganz zu Schweigen. Das Spiel war komplett von Einzelaktionen der beiden Außenstürmer abhängig. So erhielt beispielsweise Konoplyanka den Ball ein paar Mal knapp 35 Meter von der Grundlinie entfernt, sodass er durch seine Dribblings noch nicht zum Tor ziehen konnte und stattdessen einzelne antreibende Aktionen startete. Sein weiträumiges Passspiel konnte in letzter Konsequenz aber auch keine Gefahr erzeugen. Auch der Elfmeter entstand letztlich in Folge einer Ecke und nicht nach einem gelungenen Spielzug.

Ballbesitz Schalke.

Auch im weiteren Verlauf der Partie konnten Rudy und Bentaleb sich nicht von ihren Manndeckern lösen. Die dringend benötigte Unterstützung im Zentrum erhielten sie auch nicht, dabei zeigt Embolo, wie es gehen könnte: Bei einer größeren numerischen Präsenz im Zentrum durch das Einrücken oder Zurückfallen bestimmter Spieler hätte Hertha seine Manndeckungspläne über Bord werfen müssen. Schalke behielt seine extrem in die Breite gestreckte Struktur aber bei. Gleichzeitig blockierten Rudy und Bentaleb Räume, die den Innenverteidigern Platz zum Andribbeln verschafft hätten. Dramatisch war dies aber nicht, gab es nach dem Andribbeln doch keine sicheren Anspielstationen im Zentrum mehr, da das Team überhaupt keine Folgereaktion zeigte und der Angriff abgebrochen werden musste.

Als Rudy einmal neben die Innenverteidiger herauskippte, verlor er sogar den Ball, weil Duda seinen Pass ins Zentrum erahnte. Den anschließenden Konter musste er durch ein Foul stoppen. Irgendwann versuchte es auch Embolo aus einer Position neben den Innenverteidigern, woraufhin McKennie den rechten offensiven Halbraum besetzte, aber auch das brachte nicht die gewünschten Effekte und resultierte ebenfalls einmal in einem gefährlichen Ballverlust.

Vielfach blieb der hochgewachsenen Abwehr nur noch der lange Ball. Hier war Uth gegen Stark und Torunarigha hoffnungslos überfordert und Mittelstädt machte gegen Embolo und Caliguri einen sehr guten Job.

Schalkes Ausgangslage war umso prekärer, da Hertha kurz nach dem vergebenen Elfmeter selbst in Führung gehen konnte. Schon nach ein paar Minuten hatte Rekik das Feld verletzungsbedingt verlassen müssen und wurde durch Javairo Dilrosun ersetzt. Dilrosun, gegen den Plattenhardt wie ein Beidfuß aussieht, schob Mittelstädt auf die Linksverteidigerposition und Torunarigha in die Innenverteidigung, während er selbst eine hohe und breite Positionierung am Flügel einnahm.

Durch den Wechsel wurde das spielerische Potenzial von Hertha auf jeden Fall erhöht, wodurch die Pressingfallen der Schalker umgangen werden konnten: Schalke wollte Hertha aus einer 5-2-3/5-3-2- Ordnung auf die Berliner linke Seite leiten, wo Embolo aus einer tieferen Position zusammen mit Caliguri Mittelstädt anlaufen sollte, sobald dieser aufdrehte, während die Rückpassoptionen zugestellt wurden. Mittelstädt machte allerdings ein hervorragendes Spiel, konnte entstehende Drucksituationen extrem gut durch scheinbar simple Drehungen auflösen und umging sonst durch risikolose Pässe eventuelle Drucksituationen.

Auch Maier, der sich im recht klaren 4-1-4-1 der Berliner hinter den Schalker Stürmern über etwas Raum verfügte, machte ein sehr gutes Spiel und stand der Innenverteidigung als sichere Anspielstation zur Verfügung. Lazaro war durch Konoplyanka sehr enge Positionierung oft nominell frei wurde aber sehr aggressiv von Baba angelaufen. Wenn der Österreicher dann mal über hohe Verlagerungen gefunden werden konnte, hatte Baba durch die lange Zeit in der Luft genug Zeit, simplen Raumgewinn zu blocken

Wieder Mal hatte Hertha aus einer 4-1-4-1-Aufbauordnung also eine bessere Struktur, die sich sehr gut mit dem ruhigen Aufbaurhythmus ergänzt und durch die Dreiecke von Außenverteidiger, Flügelspieler und Achter ordentliche Flügelangriffe verspricht. Gefährlich wurde es vor allem, wenn Hertha hinter einen der Wingbacks gelangen konnte. So überspielte Torunarigha beim 1:0 Caliguri mit einem langen Ball in den Lauf von Dilrosun, der an McKennie vorbeiziehen und den in den Rückraum nachstoßenden Duda einsetzen konnte. Insgesamt waren es wie so oft viele lange Bälle der Innenverteidiger, die das Spiel eröffneten. Angesichts der frühen Führung konnte Hertha natürlich noch mehr Risiko vermeiden.

Positiv auffällig war nebenbei noch, dass Hertha sehr gut für den Kampf um zweite Bälle gewappnet war. Grujic zeigte sich sehr griffig in direkten Duellen und konnte anschließend über seine Pressingresistenz die Drucksituation auflösen.

Nach einer knappen halben Stunde stellte Tedesco dann auf das von einigen erwartete 4-2-3-1 mit McKennie neben Rudy auf der Sechs, Bentaleb auf der Zehn und Embolo als Rechtsaußen um. Weiterhin gab es aber keine Ideen für ein Spiel durchs Zentrum, eher noch wurden die Räume zum Andribbeln für die Innenverteidiger noch stärker geblockt und Hertha einfache Mannorientierungen erleichtert, da Herthas 1-2 Mittelfeldstaffelung Schalkes 2-1 spiegelt.

Defensiv verstärkte sich nochmal die Asymmetrie, Schalke spielte nun eine Art 3-3-2-2 gegen den Ball, wobei die Linien zueinander nach außen versetzt waren. Valentino Lazaro war so noch klarer der freie Spieler, während Schalke die Gäste aus Berlin noch mehr nach links lenkte. Die Knappen konnten aber weder Torunarigha noch Maxi Mittelstädt zu wirklich schwachen Abspielen unter Druck verleiten, stattdessen schlug Torunarigha im Zweifel einen langen Ball hinter die Schalker Kette, was direkte Konter erstmal unterband. Meistens konnte er sich aber noch ein paar Mal mit Mittelstädt den Ball zuschieben, bekanntlich eine Paradedisziplin der alten Dame.

So gelangte Hertha ungefährdet in die Halbzeitpause. Etwas überraschend änderte Dardai nichts auf der eigenen rechten Seite, was angesichts von Lazaros Problemen gegen Konoplyanka hätte gefährlich werden können. Schalke schaffte es aber auch nach dem Wiederanpfiff nicht, sich durch ein gutes Kombinationsspiel vorteilhafte Situationen für seine Offensivspieler zu erarbeiten. Vielmehr wurden Embolos Ansätze im rechten Halbraum unterdrückt, da er sich nun entweder weit Rechtsaußen befand oder nur auf Höhe der Abwehrkette einrückte. Solche Situationen sind naturgemäß nicht dafür geeignet aufzudrehen und auf die Abwehr zuzulaufen.

Die Situationen, in denen sich Embolo stattdessen wiederfand, kamen ihm überhaupt nicht entgegen, weshalb die rechte Seite im Schalker Spiel weiter ausfiel. In der Mitte machten die Berliner Manndecker weiter einen sehr guten Job, weshalb letztlich nur noch Konoplyanka für gefährliche Angriffe übrig blieb. Lazaro konnte aber immer mehr mithalten und Baba unterstützte ihn so schlecht, das auch der Ukrainer nicht mehr gefährlich war.

Die Einwechslung von Burgstaller half Schalke insofern, als dass die langen Bälle aus der Abwehr vorne deutlich besser festgemacht wurden, was tatsächlich mehr Kontrolle für die Königsblauen bedeutete. Im weiteren Ausspielen der Angriffe waren die Knappen aber weiterhin ideenlos. Durch Rudys Auswechslung wuchs außerdem die Konteranfälligkeit, da Bentaleb es mit seiner Positionstreue nicht so genau nahm, während McKennie als sein Partner auf der Doppelsechs immer wieder in den Zwischenlinienraum schob, weitestgehend ohne Effekt.

Ganz am Ende des Spiels änderten beide Trainer sogar nochmal ihre Formation: Harits Einwechslung für Baba sorgte dafür, dass Schalke wieder zu einem 5-2-2-1 griff, während Dardai mit Lustenberger für Ibisevic auf ein 5-3-2 mit ziemlich breiten Stürmern umstellte. Dilrosun stach hier nochmal durch seinen großen Aufwand im Pressing hervor, während Schalke nach kurzer Zeit Naldo in den Sturm schickte.

Aufstellungen nach vielen Wechseln, aber bevor Naldo den van Buyten macht.

Fazit: Es ist bezeichnend für den schwachen Auftritt des Vizemeisters, dass die größten Chancen der Brechstange in der Schlussphase entsprangen, was Hertha mehr oder weniger gerecht mit dem 2:0 bestrafte. Gleichzeitig muss Hertha selber noch an einigen Dingen arbeiten, insbesondere das Ausspielen der Konter wusste nicht wirklich zu gefallen, gleichzeitig machten einige individuelle Leistungen und die Kreativität des Trainerteams Lust auf mehr.

2 Kommentare

  1. Niclas Hagen sagt: Antworten

    Super Analyse. Habe ich eigentlich über fast alle Strecken des Spiels genau so gesehen. Eine Frage bezüglich Kalou, der im Artikel ja keine Erwähnung gefunden hat, hätte ich: Glaubt ihr, dass er mit seiner Art und Weise zu spielen und auf der momentan eingestehen Position unserem Spiel mehr schadet als hilft. Ich meine er ist absolut kein Pressingspieler und glänzt nicht durch schnelles Umschalten und Handeln. Ich bin mittlerweile der Meinung, dass er sich entweder im Sturmzentrum oder auf der Bank wiederfinden muss. Was sagt ihr dazu?

    1. DG sagt: Antworten

      Hey, danke!
      Bezüglich Kalou bin ich einer anderen Meinung. Er ist natürlich nicht mehr der schnellste, ich empfinde ihn aber durchaus noch als handlungsschnell und dadurch wertvoll in Kontern. Gerade als Ballschlepper, da er mit seinem minimalistischen aber sehr effektiven Dribblingstil einige Gegner stehen lassen kann.
      Außerdem ist er sehr wertvoll für unser Ballbesitzspiel, da er mit Abstand am besten darin ist, den Ball unter Druck zwischen den gegnerischen Linien zu erhalten und nach vorne zu verteilen, siehe 1:0 gegen Nürnberg.
      Kritisch sehe ich ihn defensiv, da er mittlerweile wohl nicht mehr in der Lage ist, alle Wege zu gehen. Gegen einige Gegner ist deswegen wohl eine Jokerrolle am besten, grundsätzlich sehe ich ihn aber schon in der Startelf.

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