Okay, ich gebe zu, Dennis Jastrzembski ist eigentlich gar kein 99er. Ich erlaube es mir trotzdem mal, ihn zu porträtieren.
Immer wieder gab es für Spieler dieser goldenen Generation Angebote aus dem Ausland, zum Beispiel Liverpools Interesse an Mohammed Kiprit. “Jaste” machte sogar gleich mehrere europäische Schwergewichte auf sich aufmerksam – es wurde über ein Interesse von Manchester City und Arsenal berichtet. Dabei ist das Spiel des Offensivallrounders unauffälliger als das seiner Mitspieler, und man könnte den Eindruck gewinnen, dass er technisch limitiert ist. Was Jastrzembski hingegen sehr stark macht, ist, wie sehr er sich seiner Stärken und Schwächen bewusst ist.
Die oben angesprochenen Wechselgerüchte erscheinen umso kurioser, zieht man in Erwägung, dass er in einigen Spielen der A-Junioren noch nicht mal der Startelf angehörte, wenngleich das als jüngerer Jahrgang natürlich ohnehin nicht selbstverständlich wäre. Allerdings stellt es eine sehr gute Überleitung zu seinen Fähigkeiten dar, denn Jastrzembski ist ein extrem guter Konterstürmer und sollte wohl oft spät die müden gegnerischen Abwehrreihen zur Verzweiflung bringen.
Das prägendste Element sind seine sehr gut getimten Tiefenläufe. Über die komplette Spielzeit wird er nicht müde, in den Rücken der gegnerischen Abwehr zu starten. In der A-Jugend kam ihm hier zu Gute, dass er trotz seines geringeren Alters schneller und kräftiger als die meisten seiner Gegenspieler war.
Die genaue Umsetzung eines Laufs hängt natürlich von einigen Variablen ab, in den allermeisten Fällen zieht es den 18-jährigen jedoch zum Antritt in den Halbraum, sofern er nicht als Flügelstürmer aufgestellt wurde. So zeigt er, wenn er als Mittelstürmer starten darf, viele Läufe aus der Mitte zur Ballseite, die oft als Gegenbewegung zur Spieldynamik ausfallen. Beispielsweise ergänzte er sich als Mittelstürmer sehr gut mit den diagonalen Dribblings von Palko Dardai, gerade in Kontern.
Erhält er den Ball, kann er sich mit seinen körperlichen Voraussetzungen gut behaupten und sucht den direkten Weg zum Tor. Hier zeigt sich auch warum man ihn nicht als technisch limitiert abstempeln sollte: Er verfügt über eine sehr funktionale Technik. Soll heißen: er nimmt den Ball nicht mit der Hacke mit, kann sich aber auch in höchstem Tempo und unter Gegnerdruck kontrolliert durchsetzen. In direkten Duellen mit dem Torwart kann sein Tempo dennoch zu hoch werden, sodass Jastrzembski kein kontrollierter Abschluss möglich bleibt.
Abgesehen von solchen Ausnahmen spielt Jastrzembski die sehr dynamischen Szenen aber gut aus. Ist er schon geschickt worden, aber kann nicht an seinem Gegenspieler vorbeiziehen, kann er den Ball halten, wenngleich nicht auf dem Niveau von Sturmkollege Kiprit. Sollte er mal nicht direkt zum Abschluss kommen, übersieht er auch trotz seiner Geschwindigkeit keine Mitspieler. Lobend ist hier zu erwähnen, dass er sich nicht einfach damit zufrieden gibt, zur Grundlinie zu laufen, sondern bis zum letzten Moment in den Strafraum einzubrechen versucht.
Gerade wenn Jastrzembski nicht als Mittestürmer, sondern von der linken Außenbahn startet, läuft er natürlich auch auf gegnerische Abwehrspieler zu, anstatt direkt hinter ihnen zu starten. Auch hier gilt: Der Juniorenauswahlspieler verlässt sich vor allem auf seine Schnelligkeit, weiß diese aber auch sehr gut einzusetzen. Durch kleinere Körpertäuschungen kann er so seinen Gegenspieler verladen, um dann den Ball an ihm vorbeizulegen und wegzuziehen.
Sein grundsätzliches Spiel als Linksaußen ist aber vergleichsweise simpel, da er von Halbraumpositionierungen meistens absieht und kaum spielmachende Elemente zu bieten hat. Er kann aber auch von dort einen soliden Kombinationspartner geben und wird eine simple Ablage jederzeit einem komplizierten Dribbling vorziehen.
Als Mittelstürmer kann er in geordneten Ballbesitzphasen durch gute Ablagen am Spiel teilnehmen. Er hat vor allem ein gutes Gefühl dafür, wann er seine Position verlassen und sich fallen lassen muss. So kann er durch kurze Pässe einen wichtigen Teil des Aufbauspiels einnehmen und Drucksituationen auflösen. Seine Ablagen sind konstant gut getimt und auch in Engen sehr stabil. Passenderweise hat Jastrzembski auch ein gutes Timing dafür, den Ball durchzulassen. Das passt insofern gut, als dass es mehr Intelligenz als technischer Finesse bedarf. Außerdem kann er sich nach dem Durchlassen mit einem Sprint nach vorne anbieten und so sein ganzes Repertoire zeigen.
Insgesamt fokussiert er sich
als Mittelstürmer aber mehrheitlich auf Läufe entlang der gegnerischen Abwehrlinie. Er versucht also schon aus dem eigenen, geordneten Ballbesitzspiel seine Räume hinter der gegnerischen Verteidigung anzuvisieren und durchzubrechen, wobei viele Läufe natürlich nicht bedient werden und darum eher einen raumöffnenden Effekt haben. Jaste ist sich aber in jedem Fall bewusst, dass dieser Effekt entsteht und fängt nicht an sich zu beschweren, wenn er den Ball nicht bekommt, da er um seinen Wert für die Mannschaft weiß.
Was noch erwähnt werden muss, ist Jaste extrem schnelles gedankliches Umschalten in Umschaltsituationen. Er erkennt sofort, wann sich eine aussichtsreiche Kontermöglichkeit ergibt und legt schnellstmöglich zu einem seiner Sprints an. So konnte er in der A-Jugend seine körperliche Überlegenheit noch besser nutzen – etwas, das ihm auch in der Bundesliga gelingen muss. Außerdem bietet er seiner Mannschaft immer eine Möglichkeit, das Spiel direkt sehr schnell zu machen.
Wie die meisten anderen Herthabubis hat auch er gegen den Ball einiges auf dem Kasten. Jaste zeigt oftmals ein sehr weites Rückwärtspressing bis tief in die eigene Hälfte hinein. Seine Laufbereitschaft ist unglaublich hoch und auch er stellt sich bei der Positionsfindung alles andere als dämlich an. Er nimmt gerne die Läufe auf sich, die nicht direkt vielversprechend sind, aber wie das Durchpressen auf den Torwart trotzdem ihren Sinn haben. Einzig im Tackling ist er manchmal noch etwas unbeholfen und kassiert unnötige Foulpfiffe.
Aussicht: Insgesamt ist Jaste trotz vieler interessanter Eigenschaften doch relativ eindimensional und von seiner körperlichen Überlegenheit abhängig. Ob er sich diese auch im Profibereich erhalten kann, bleibt abzuwarten. Dennoch hat Jastrzembski auf jeden Fall das Potenzial, ein sehr guter Konterspieler bei den Profis zu sein. Sollte es ihm darüber hinaus gelingen, noch die eine oder andere Facette zu seinem Spiel hinzuzufügen, kann er den Bundesligadurchbruch schaffen. Dabei dürfte ihm auch zunächst die Rolle des Umschaltstürmers liegen. Spannend wird noch seine Entwicklung in spielerisch anspruchsvollen Szenarien gegen tiefe Gegner, die keinen Raum mehr hinter ihrer Abwehr lassen. Solche Gegner hatte die U19 in den Spielen, die ich gucken konnte, kaum. Insofern kann ich seine Fähigkeiten hier nicht wirklich einschätzen, wobei er diesbezüglich zumindest sein gutes Ablagenspiel zu bieten hat. Langfristig kann er vielleicht auch aus isolierten Szenen eine Durchbruchmaschine werden, wenn er seine Überlegenheit irgendwie in den Profibereich retten kann.