Im ersten Spiel nach der Winterpause galt es für Hertha, den etwas enttäuschenden Abschluss des letzten Kalenderjahres durch einen gelungenen Hinrundenabschluss wettzumachen. Ähnliches nahm sich wohl auch die Leverkusener Werkself vor, die im Vergleich zur Hertha zusätzlich auf einem nicht zufriedenstellenden Tabellenplatz überwinterte.
Der Start schien aus Berliner Sicht dabei sogar recht vielversprechend: Aus dem typischen 4-4-2-/4-2-3-1-Mittelfelpressing heraus begann die Hertha etwas druckvoller als sonst, dieser Eindruck währte aber nicht lange. Schnell begann Kampl neben die Leverkusener Innenverteidigung herauszukippen, was zwar etwas Präsenz im Zentrum, aber auch der Hertha den Zugriff im Pressing nahm. Sobald Kampl eine dieser Bewegungen startete, schob dann Henrichs nach vorne und der linke Zehner rückte noch etwas weiter ein, gleichzeitig schob Baumgartlinger in den zentralen Sechserraum und die verbliebenen vorderen Akteure ließen sich immer mal wieder fallen. So konnte Bayer die erste Pressinglinie der Hertha gut umspielen, fand aber gleichzeitig nicht wirklich weiter nach vorne.
Auch in der Umsetzung der ersten Umformung schlichen sich einige Ungenauigkeiten ein: Kampl bewegte sich fast immer zu nah an Toprak, der das in den ersten Minuten noch ignorierte, bis er irgendwann den Ball fast nur noch an den zurückgefallenen Sechser abgab. So verschwendete Bayer aber einiges an Potenzial in der Spieleröffnung, da der türkische Nationalspieler so um seine Aufbaustärke gebracht wurde. Wenn Kampl dann den Ball erhielt, war er oft noch nicht in einer passenden Position, da sich auch seine Mitspieler nicht so schnell bewegen konnten, wie er es wohl wollte. In einer passenden Struktur angekommen war es für Leverkusen aber immer noch schwierig, wirklich weit aufzurücken, da Hertha die direkten Wege nach vorne gut zuschob. Anfälliger waren sie dafür bei diagonalen Pässen, die im weiteren Verlauf oft zu Verlagerungen nach rechts und Angriffen aus dem rechten Halbraum heraus führten. Dort schaffte es Leverkusen gut, Herthas Mittelfeld so weit zurückzudrängen, dass die Berliner keinen Zugriff mehr hatten und Leverkusen zumindest gefährliche Ansätze starten konnte. Auch hier war die bevorzugte Marschroute ein diagonaler Pass in den ballfernen Halbraum, um dort einen der vier Offensiven zu bedienen.
Zwar entwickelten sich dadurch nicht viele Torchancen, gleichzeitig war aber eine gute Absicherung vor Kontern gegeben. Letztlich vielen die wenigen Torchancen auch nicht ins Gewicht, da das 1:0 schon früh nach einem Standard von halbrechts fiel. Zu ergänzen bleibt allerdings, dass Tah als rechter Teil der Leverkusener Aufbaudreierkette so gut wie keine Akzente setzen konnte und ihm so gut wie ausschließlich die Option blieb, den Ball nur zu Toprak zu schieben; das lag aber sicherlich auch daran, dass Kampl sich gleichzeitig oft selber in Position für seine antreibenden Versuche brachte. In solchen Szenen entstanden durch die eingerückten Zehner bei gleichzeitig tiefen Außenverteidigern einige 5-1-2-2-Staffelungen, die zwar für eine gute Zirkulation in der ersten Linie sorgten, danach aber viel auf die individuelle Klasse der vorderen Akteure angewiesen waren.
In der Folge war Hertha also vermehrt im eigenen Aufbauspiel gefordert. Dabei konnte man ganz gut in zwei Aufbauphasen unterscheiden: Die erste, oft nach Abstößen in sehr tiefen Zonen, die zweite ungefähr um die Mittellinie herum. In der ersten Phase hatte meistens Jarstein zu Beginn den Ball und spielte einen der extrem breit postierten Innenverteidiger an. Diese wollten durch ihre wirklich extrem breite Positionierung (sie positionierten sich wirklich weit außen) wohl die Leverkusener Pressingreihe auseinanderziehen, machten sich dadurch aber auch die Verbindung zwischen sich kaputt. Da gleichzeitig auch die Außenverteidiger sehr weit hochschoben und die offensiven Außenspieler sowieso nicht zurückfielen, war Hertha vor allem auf die Bewegungen aus dem zentralen Mittelfeld angewiesen. Diese zeigten einige Ähnlichkeiten mit den Bewegungen aus der letzten Saison, nur waren sie damals noch passender eingebunden. Jetzt bekamen sie den Ball in einem riesigen Verbindungsloch und von Gegnern umstellt, ohne dabei auch nur die entfernteste Chance auf ein Aufdrehen zu haben.
Die erste Phase des Berliner Aufbauspiels ging also in die Hose, immerhin konnten aber einige zweite Bälle in Folge der oft entstandenen langen Befreiungsschläge gewonnen werden, durch die dann entweder schnelle Unterzahlangriffe entstanden oder das Spiel nochmal neu aufgebaut werden konnte. Hierbei zeigte Hertha auch wieder verbesserte Strukturen, die aber noch nicht ganz ausgespielt werden konnten. Zwar war das Mittelfeldtrio gut in Form und erzeugte ordentliche Strukturen, diese reichten aber gegen das Leverkusener 4-4-2-Mittelfeldpressing nicht aus, um konstant nach vorne zu kommen. Am vielversprechendsten war der Weg von Brooks über den eingerückten Stocker zu Plattenhardt, der dann mit viel Tempo den Ball erhielt und versuchte durchzubrechen.
Auch einige Angriffe gab es, die deutlich linearer abliefen und auch für etwas Gefahr sorgten. Genug für einen Treffer war das aber bei weitem nicht. Mit verbesserter Besetzung sollte das in den nächsten Wochen wieder besser werden, wenn dann (hoffentlich) Kalou, Haraguchi und Weiser wieder auflaufen sollten (übrigens bin ich kein Fan von Esswein). Insgesamt waren Herthas Strukturen mit etwas tieferen Außenverteidigern aber schon so weit verbessert, dass man gegen Leverkusen ohne wirkliche Gefahr für Gegenstöße gut nach vorne spielen konnte.
Nach einem Elfmetertor für Leverkusen und dem Anschlusstreffer durch Stocker ging Hertha schließlich mit einem 2:1 in die Pause.
Im zweiten Durchgang waren die Gastgeber dann zunehmend auf eine ruhige Ballzirkulation bedacht, was für Hertha insofern Probleme bedeutete, als dass nur Darida und Ibisevic wirklich pressten, während der 4-4-Block dahinter abwartete, bis einer der Leverkusener sich auf den Weg zu ihnen machte. Für Bayer bedeutete das, dass sie noch ungefährlicher aufrücken konnten, indem sie mit Kampl und Baumgartlinger die erste Linie überluden und dann aus einer Dreierkette heraus andribbelten oder einfache Pässe nach vorne spielen konnten. Diese Minuten standen im großen Kontrast zum Beginn der Saison, als die Flügelstürmer noch deutlich weiter aufrückten und gerade gegnerische Halbverteidiger immer wieder sehr gut anliefen; vielleicht sogar Herthas größtes Plus in den ersten Spielen.
Tatsächlich war es genau dieses aggressivere Verhalten durch Stocker, was Hertha wieder besser in die Partie brachte, nachdem es 20 Minuten lang den Anschein hatte, Hertha wolle den Ball gar nicht mehr haben. Leverkusens Innenverteidigung war von dem anlaufenden Schweizer sichtlich überrascht, sodass die daraus resultierenden Ballbesitzphasen auch nochmal für Gefahr sorgten, wenngleich es letztlich die Werkself war, die noch einen weiteren und abschließenden Treffer erzielte. Die Wechsel der Hertha sorgten bis auf die Hereinnahme von Haraguchi für Esswein nur für etwas mehr Präsenz vorne und ein löchrigeres Pressing.
Fazit: Ein ordentlicher Rückrundenauftakt, der zwar sehr viel Luft nach oben lässt (wirklich sehr viel Luft), an manchen Stellen aber auch Besserung verspricht.