Mal wieder ein Spitzenspiel mit Berliner Beteiligung: Der Tabellendritte aus der Hauptstadt empfing den Tabellenvierten aus Hoffenheim zu einem taktisch hochklassigen und vielseitigen Duell, aus dem Julian Nagelsmanns Team verdient als Sieger hervorging. Zu Beginn sah es allerdings noch nicht nach einem Sieg für die Kraichgauer aus, die mit der Anfangsausrichtung der Hertha so ihre Probleme hatten.
Die Berliner formierten sich bei Hoffenheimer Ballbesitz erstmal in einem 4-1-4-1/4-3-3 gegen das 3-1-4-2-artige Aufbauspiel des Gegners. Die Berliner Flügelspieler agierten dabei aus eingerückten Positionen im Halbraum heraus. Von dort konnten sie Hoffenheims Innenverteidiger
anlaufen und versuchten Pässe auf Kaderabek und Zuber außen zu verhindern. Ibisevic startete vor Vogt, blieb oft recht passiv, konnte aber auch entweder einen Innenverteidiger anlaufen oder gegen Sebastian Rudy rückwärtspressen. Dieser war am Anfang oft ohne Gegenspieler, da Allan und Skjelbred in vielen Situationen einen Hoffenheimer Achter mannorientiert verfolgten und Stark eher absicherte.
Da Esswein und Haraguchi grundsätzlich eher passiv waren konnte die TSG den Ball in der ersten Linie gut zirkulieren lassen, allerdings kaum mal die Achter in Szene setzen. Rupp bewegte sich halbrechts sogar noch etwas höher als Demirbay auf der anderen Halbposition und besetzte in vielen Szenen eher den hohen Zwischenlinienraum. In solchen Szenen wurde er dann auch mal in den Raum übergeben und der Berliner Achter stellte in mit seinem Deckungsschatten zu. Im Verbund mit Flügelspieler klappte das in der Anfangsphase auch sehr gut. Manchmal konnten Rupp und/oder Demirbay durch eine etwas tiefere Position auch mal Verbindungen nach vorne erzeugen, wurden aber durch gutes Herausrücken der Berliner oft davon abgehalten, diese Verbindungen auch tatsächlich zu bespielen.
Wenn dann mal die Hertha den Ball hatte, formierte sich 1899 in einem 5-3-2, das eine etwas ähnliche Asymmetrie wie das Ballbesitzspiel auswies: Der halblinke Stürmer, Kramaric, bewegte sich etwas breiter als sein Partner Wagner und im Mittelfeld tat Rupp dasselbe auf der anderen Seite. So ergaben sich dann auch mal 5-2-2-1-artige Staffelungen. Dadurch wurde Hertha dann eher auf die eigene linke Seite gelenkt, konnte dort aber von den Hoffenheimern mehr oder weniger erfolgsstabil zugeschoben werden. Vereinzelt, wenn Ibisevic zusätzlich auf diese Seite schob, ergaben sich aber auch gute Kombinationen, aus denen die Berliner dann etwas Zug zum Tor entwickelten. Manchmal schafften sie es auch, die Enge auf links aufzulösen und auf die andere Seite zu verlagern, wo dann Weiser Zuber im eins gegen eins forderte, wobei der Schweizer große Probleme hatte. In diesen Situationen zeigte sich dann auch die Schwäche des mit nur drei Mann nominell kaum besetzten Mittelfeldbandes, das auch kaum mal durch Kramaric oder Wagner unterstützt wurde.
So kam Hertha dann schon eher mal zu guten Ansätzen, meistens gelang es Hoffenheim aber sehr gut, die Hertha auf einem Flügel festzumachen. Gute Ansätze hatte Hertha auch bei einem Abkippen von Niklas Stark, der dann etwas andribbeln und dadurch Wagner binden konnte, um danach den leicht aufgrückten und nun freien Brooks anzuspielen. Auch die 1-2-Staffelung des Mittelfeldes insgesamt erlaubte einige kontrollierte Verlagerungen und brachte so Vorteile gegen Hoffenheims Mittelfeld. Die drei zentralen Akteure zeigten auch noch mehr Kreiselbewegungen als die letzten Wochen, was das Ballbesitzspiel der Hertha ebenfalls stärkte.
Nach einigen Minuten kam Hoffenheim dann auch eher mal hinter Herthas Mittelfeld. Dabei wirkte es so, als hätten sie sich auf die Mannorientierungen eingestellt und würden jetzt die Fluditität erhöhen, um mehr Räume zu öffnen. Ein Erfolgsrezept waren direkte Pässe hinter die Abwehr auf den startenden Lukas Rupp, der dadurch zu zwei guten Chancen kam. Sonst wurden vor allem die Wingbacks eingebunden. Hier nutzten die Hoffenheimer ebenfalls sehr gut das Verhalten der Hertha aus, die nämlich die Außenverteidiger herausrücken ließ, um die gegnerischen Flügelspieler zu pressen. Oft startete dann ein Achter der TSG in den nun freien Raum und konnte den Ball von dort aus in die Mitte bringen, so kam man in der 29. Minute auch zu einem Lattentreffer. War der Pass hinter den Außenverteidiger nicht möglich, konnte der jeweilige Wingback, den Ball einfach zum ballnahen Halbverteidiger zurückspielen und es wurde neu aufgebaut. Mit der Zeit konnten die Wingbacks auch mal Pässe in den Zwischenlinienraum anbringen und so Hoffenheim weiter nach vorne verhelfen. In eben diesen Zwischenlinienraum ließen sich immer mal wieder Wagner und Kramaric fallen, beide tendierten dabei nach links, weil sich Rupp oft bereits rechts befand.
Nach einer halben Stunde war das Spiel so ziemlich ausgeglichen, bis die TSG ihre Größenvorteile bei einem Freistoß aus dem Halbfeld ausspielte und so 1:0 in Führung ging. In der Folge stellte die Hertha dann auf ein 4-4-1-1 um, was der TSG aber viel eher entgegenkam. Durch die nun vorgeschobene Position Allans wollte Dardai wohl mehr Druck auf Sebastian Rudy aufbauen und somit Hoffenheims Spielaufbau stören, der Schuss ging aber nach hinten los: Durch die breiteren und tieferen Positionen der Flügelspieler sowie die tieferen Positionen der neuen Doppelsechs verlor die Hertha den Zugriff auf die tieferen Halbräume bei Hoffenheim, die durch ein Zurückfallen Demirbays jetzt entweder den Halbraum bespielen oder den hohen Zwischenlinienraum öffnen konnten. Insgesamt kam die TSG nun auch besser durch die Schnittstelle Sechser-Flügelspieler und konnte so einige Male einen der Offensivspieler direkt einsetzen. Dadurch übernahm Hoffenheim bis zur Halbzeit die volle Kontrolle und konnte sich einige Torchancen herausspielen.
Auch Berliner Ballbesitz wurde immer seltener, wodurch die Stärkephase von 1899 hätte eingedämmt werden können. Durch Herthas geringere Präsenz in den Achterräumen wurde auch das teilweise noch praktizierte Herausrücken der Berliner Außenverteidiger gegen Hoffenheims Wingbacks immer gefährlicher, da das Aufrücken der Hoffenheimer Achter nicht mehr so leicht verfolgt werden konnte. Genauso verhielt es sich bei fallenden Bewegungen der höheren Stürmer Hoffenheims, die mehr Räume öffneten. Bis zum Ende der ersten Halbzeit hatte Hertha so auch viel Glück, dass es immer noch nur 1:0 stand.
Nach der Pause gab es dann doch mal wieder Ballbesitzphasen der Berliner, die dadurch sogar ziemlich gefährlich wurden. Das Mittelfeld Hoffenheims verschob jetzt nämlich mit deutlich weniger Intensität, was für Hertha einige Räume im Mittelfeld öffnete. Gerade nach Anspielen auf die Außenverteidiger kam Hertha BSC dann einige Male gut diagonal ins Zentrum hinein und konnte tatsächlich auch Zug zum gegnerischen Tor entwickeln. Zu Beginn dieser Szenen gab es bei Hertha oft eine doppelte Flügelbesetzung zu sehen, vermutlich um die gegnerischen Wingbacks zu binden. Im Verlauf dieser Szenen rückte dann aber oft einer von beiden ein und der andere sehr weit auf. Während auf links oft Haraguchi etwas einrückte und Pekarik dafür vorschob, blieb Esswein auf rechts hoch und breit, während der einmal mehr sehr starke Mitchell Weiser diagonal an die letzte Linie zog. So sorgte er für eine für die Hoffenheimer sehr unangenehme Dynamik und konnte sich an diesen Kombinationen auch selber sehr gut beteiligen. Lobenswert war in diesen Situationen auch das Berliner Gegenpressing, mithilfe dessen Konter unterbunden und Hoffenheim in der eigenen Hälfte gehalten werden konnten.
Viele Chancen konnte sich Hertha so aber nicht erspielen, da Julian Nagelsmann schnell auf die neuen Verhältnisse reagierte und Vogt aus der Fünferkette ins Mittelfeld schob. Gleichzeitig rückten Kramaric und Rupp weiter nach außen und bildeten im neuen 4-1-4-1/4-3-3-System die Flügelzange. Diese Umstellung wurde durch die spätere Einwechslung Toljans für Zuber noch gefestigt. Hertha hatte nun Probleme, überhaupt die eigenen Außenverteidiger anzuspielen und konnte tatsächlich sehr gut in Schach gehalten werden. So konnte Hertha auch die verminderte Präsenz der Kraichgauer an der letzten Linie nicht ausnutzen, was wohl der Hintergrund der Einwechslung Schiebers für Esswein war. Stattdessen war es die TSG, die wieder zu Chancen kam. Auch durch die Brechstange trat keine Besserung mehr ein, eher waren es Wagner und Co., die noch ein paar Chancen verstolperten.
Fazit: Hertha muss mit dem 1:0 sehr zufrieden sein. Vermutlich hätte etwas mehr Geduld nach dem 1:0 den Gegner nicht so ins Spiel kommen lassen, allerdings auch ein großes Lob an Julian Nagelsmann: Sein Team ist eines von wenigen, die solche Umstellungen dann so sehr bestrafen. Auch die Umstellung des Trainers selbst war exzellent.