Halbzeitanalyse: Leipzig gegen die Berliner Mauer

Hertha – Leipzig Die erste Halbzeit:

Am dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls kostet es RB 45 Minuten, um die Berliner Mauer ein zweites Mal einzureißen (Keine Sorge, ich komme den Rest des Textes ohne Mauerfall”witze” aus). Das Team von Julian Nagelsmann stelllte nach einer zerfahrenen Anfangsphase durch einen Doppelschlag kurz vor der Halbzeit bereits die Weichen auf Sieg, während es die Berliner nicht schafften, nach dem Rückstand wirklich gefährlich zu werden.

Die ersten Minuten des Spiels gaben im Grunde bereits grob die Richtung für die erste Halbzeit vor: Hertha zog sich in einem 5-4-1 schnell zurück, blockierte für Leipzig die Mitte und provozierte viele hektische Gegenpressingaktionen. Herthas Plan war im Vergleich zu weitestgehend unveränderten Leipzigern, die eher auf personelle Ausfällle reagierten als auf den Gegner, etwas gegnerspezifischer. Covics Mannschaft formierte sich sehr klar im besagten 5-4-1, mit sehr enger Mittelfeldkette und Lukebakio kurz davor. Die Flügelstürmer sorgten durch eine enge Position grundsätzlich für ein Lenken nach außen, wenngleich sie bei tatsächlichem Anlaufen besonders inverse Läufe starteten, sprich die Leipziger nach innen lenkten. Diese Anlaufbewegungen gab es besonders dann zu sehen, wenn Hertha aus einer höheren Feldposition heraus presste. Die Wahl der Bewegungen war insofern auch passend, als dass Lukebakio alleine gegen die tiefe Leipziger Aufbaupräsenz wahrscheinlich isoliert gewesen wäre.

Grundformationen.

Häufiger war jedoch, dass Wolf und Dilrosun sich neben die Sechser fallen ließen und durch ihre enge Positionierung Pässe nach außen provozierten. Das nach innen pressende Element ging dabei dennoch nicht verloren, da Wolf und Dilrosun bei Ballbesitz von RB im Sechserraum sehr aktiv die Passwege nach außen versperrten und sich mit den beiden Sechsern schnell zusammmenzogen, während es oft Darida war, der in solchen Situationen Zugriff herstellen konnte. Die Aufstellung des Tschechen zusammen mit Löwen warf im Vorfeld des Spiels die Frage auf, ob Hertha über die gesamte Spielzeit über eine gute abgesicherte Mittelfeldzentrale verfügen würde. Im Spiel wurde aber schnell klar, das Löwen besonders die Absicherung im Sinn hatte und Darida viele Freiheiten ermöglichte, die jener auch gut nutzte.

Hertha knüpfte damit an die Ausrichtung der letzten Wochen an, in der Skjelbred einen klar absichernden Sechser und seiner Mannschaft somit deutlich mehr Stabilität gegeben hatte. Löwen sicherte in diesem Spiel die offensiven Ausflüge von Darida sehr gut ab, war dadurch aber auch deutlich weniger präsent als er sein müsste, um wirklich effektiv zu werden.

Die strategische Ausrichtung von Hertha war klar, Leipzig sollte der Ball überlassen werden, während die Berliner besonders auf Konter lauerten. Das Trio Dilrosun, Wolf und Lukebakio verspricht in der Hinsicht auch eine individuelle Qualität, die es so in diesem Jahrzehnt noch nicht gab. Problematisch war aber, dass Hertha nicht viele wirklich gefährliche Ballgewinne verbuchen konnte. Die meisten Balleroberungen waren entweder sehr tief gegen die Flügelangriffe von RB zu finden, oder aber in der Zentrale in der Zentrale aus der besagten Verengung des Mittelfeldes heraus. Dadurch entstanden die meisten Konter in einer sehr engen Umgebung, die zu vielen schnellen Ballverlusten führte. Konter waren einfach extrem schwer zu fahren, da Hertha sich personell bei den allermeisten Aktionen auf das offensive Trio und Darida verließ. Wenn es also zu einem ansprechenden Ballgewinn kam, konnte, meist nur Luekabakio eine direkte Anspielstation in die Tiefe darstellen, während die nachrückenden Spieler nicht schnell genug große Freiräume erreichen konnten, da sie sich alle recht eng beisammen befanden. Das führte letztlich zu vielen zu hektisch einfach linear nach vorne durchgespielten Angriffen, während das Tor passenderweise in einem Konter nach einer Verlagerung auf den mit aufgerückten Mittelstädt fiel.

Konter waren auch die einzigen Situationen, in denen Hertha sich Torchancen erspielen konnte. Das Ausspielen von geordneten Ballbesitzszenen war dagegen eher stabilitätsgefährdend als wirklich produktiv für das Spiel nach vorne. Allzu viele geordnete Aufbauszenen gab es auch nicht zu sehen. Bei Rückpässen nach Ballgewinnen, die manche Teams dazu veranlassen, sich zurückzuziehen und somit eine relativ sichere Quelle für Aufbauszenen sind, presste RB meist direkt durch und erzwang viele Befreiungschläge der Dreierkette und Jarstein. Auch nach Abstößen kam die alte Dame kaum mal aus der eigenen Hälfte heraus. Leipzig stellte Querpässe von Jarstein auf die Halbverteidiger zwar nicht zu, lief aber direkt danach und verhinderte durch eine sehr starke Pressingleistung jegliche Berliner Ballbesitzversuche.

Die Berliner Struktur war dabei von jeglicher Schuld freizusprechen, da das Offensivtrio schon früh, weit aufrückte und herausrückende Bewegungen weder blocken noch bestrafen konnte und die beiden Sechser ebenfalls selten anspielbar waren. Außerdem hat besonders Klünter seine Stärken in anderen Szenen als dem Aufbau in der eigenen Hälfte. Es gab auch weniger Rochaden zwischen Außenverteidigern und Flügelstürmern zu sehen, was vielleicht noch zu vereinzelten Aufbauerfolgen hätte führen können, indem sich Wolf und Dilrosun tief aus dem Pressing gelöst hätten. So fiel das zweite Leipziger Tor aus einer missglückten Berliner Aufbausituation nach Rückpass, in der Boyata den Ball klären musste, jedoch nicht weit genug kam.

Wie gesagt war das wackelige Berliner Spiel mit Ball vor allem dem starken Leipziger Pressing geschuldet. Die Sachsen pressten in den meisten Fällen aus einem 4-2-3-1, in dem Poulsen hinter Werner den Zehner gab und dessen Flügelspieler auch tatsächlich höher als die beiden Sechser positioniert waren. Vor Berliner Abstößen gab es auch einige 4-2-1-3-Staffelungen zu sehen, die aber nicht prägend waren. Im Anlaufen trennte Werner zumeist die Innenverteidiger voneinander, woraufhin entweder Poulsen diagonal aus dem Zentrum nach außen presste, oder aber einer der Flügelspieler es seinen Berliner Pendants gleichtat und durch ein nach außen gebogenes Anlaufen in die Mitte lenkte. Dort war Leipzig mit Poulsen sowie der Doppelsechs aus Demme und Laimer sehr stark auf Kompaktheit fokussiert, ließ kaum Lücken im Mittelfeld aufkommen und schloss insbesondere die Passwege zwischen Sechser und Flügelspieler sehr konzentriert. Solche Pässe wären wahrscheinlich sowas wie die Berliner Befreiung aus der Leipziger Umklammerung gewesen, umso erdrückender war der Effekt des Schließens dieser Wege.

In vielen Fällen konnte Leipzig schon den Innenverteidigern einen langen Schlag abtrotzen, sonst landete der Ball beim Außenverteidiger und wurde unter hohem Druck auf dem Flügel gehalten. Das Zusammenspiel von Außenverteidigern und Flügelspielern bei der Hertha stellte sich ebenfalls durchwachsen dar und ganz vorne konnte Lukebakio gegen Upamecano eher in Ausnahmefällen den Ball behaupten. Vereinzelt rutschte der Ball mal zu Herthas Außenverteidigern durch, während die Leipziger Flügelspieler höher gebunden waren, doch das machten die Leipziger Außenverteidiger wiederum durch ein passendes Timing im Herausrücken wett.

Gelangte der Ball ins zentrale Mittelfeld, ergaben sich da die schon aus der Anfangsphase bekannten hektischen Schlagabtäusche zwischen den Mittelfeldeinheiten beider Teams, die weder für die einen noch für die anderen wirklich erfolgsversprechend waren. Abgesehen von Leipziger Ballbesitz handelte es sich deswegen um ein sehr hektisches Spiel.

Bei den Sachsen ist der Einfluss von Neu-Trainer Julian Naglesmann mittlerweile klar spürbar, wenngleich er sich der RB-Schule auch offensichtlich angepasst hat. So schickte er sein Team in einem 4-2-2-2 aufs Feld, seit Roger Schmidts Salzburg Mannschaft quasi das hauseigene RB-System. Während es im Pressing eine Verformung zu einem 4-2-3-1 zu sehen gab, war RB bei Ballbesitz zu Beginn sehr klar in einer 4-2-2-2-Struktur formiert. Charakteristisch dafür war das Einrücken der Zehner Sabitzer und Forsberg, das wiederum durch Ausweichen von Poulsen und Werner ausgeglichen wurde. Das hatte den interessanten Nebeneffekt, dass Herthas Außenverteidiger, wenn sie Sabitzer oder Forsberg in eingerückter Position pressen wollten, quasi nach innen pressen mussen, da sie grundsätzlich breiter positioniert waren, da ja schon die Mittelfeldkette kompakt war. Durch ebendiese Kompaktheit war es denn Leipzigern aber auch nur schwer möglich, zwischen die Linien zu gelangen, weswegen die Zehner wenig gepresst werden mussten.

RB hatte nämlich einige Probleme, das übliche Steil-Klatsch Spiel durchzubringen. Bis auf eine Szene gegen Ende der ersten Halbzeit waren die Leipziger nicht in der Lage, sich flach durch Halbräume oder Mitte zu kombinieren. RB hatte zwar tief eine ruhige Spielanlage, in der Laimer und Demme immer wieder die Innenverteidiger unterstützten, konnte den Ballbesitz aber nicht konstruktiv nach vorne tragen. Die Doppelsechs hatte insgesamt eine klar Rollenverteilung: Demme zeigte sich im tiefen Aufbau sehr beweglich und war für die Innenverteidiger klar die primäre Anspielstation. Laimer hatte dagegen eine eher unterstützende Rolle und streute hier und da Vertikalläufe ein. Beide Sechser ließen sich auch mal neben oder zwischen die Innenverteidiger fallen, was aber nicht durch extremen Berliner Druck erzwungen war..

Besonders viel lief bei den Sachsen außerdem über links, da Upamecano im Spielaufbau deutlich aktiver war als Ilsanker rechts. Hertha blockierte das Andribbeln des Franzosen auch nur selten, ließ sich aber ebenso wenig herausziehen. Stattdessen wurde Upamecano zu vielen längeren Pässen verleitet, bevor er auf das Berliner Mittelfeld traf. Grund dafür war auch, dass Leipzig nur selten Spieler freiziehen geschweige denn freie Spieler auch anspielen konnte. So waren insbesondere Forsberg und Sabitzer von ihrer Grundposition her relativ frei, wurden aber selten bis gar nicht zwischen den Linien gefunden und hätten damit wohl auch wenig anfangen können, da die umliegenden Bewegungen wenig Dynamik versprachen.

Teilweise waren die vier Offensiven auch etwas unverbunden, wenn Werner und Poulsen beispielsweise für Sabitzer und Forsberg auswichen, aber keiner Verbindungen in der vakanten Zentrale gab. Letztlich mündeten dann viele Angriffe von Leipzig in langen Bälllen, meistens auf die linke Seite. Dabei wurden noch nicht mal alle hinter die Abwehr gespielt, viele landeten auch auf Höhe der Fünferkette beim ausgewichenen Werner oder Forsberg. Auch Klostermann war häufiger Empfänger solcher Zuspiele, die fast immer verpufften. Entweder wurde der entsprechende Tiefenlauf gut verfolgt, wie eigentlich fast alle Leipziger Offensivspieler mit dem Ball gut gestellt wurden, oder der Ball war einfach zu schwierig zu kontrollieren, um direkt eine gute Angriffsfortsetzung einzuleiten. Ein bisschen lässt das deswegen die Vermutung übrig, das Leipzig Klünter als Schwachstelle ausgemacht hatte, und aus vielen Angriffen über seine Seite Kapital schlagen wollte.

Später war Leipzig auch offensiv mehr in einem 4-2-3-1 unterwegs, in dem Werner durchgängig die linke Seite besetzte und Forsberg Zehner war. In dieser Phase zeigte Lukas Klostermann auch immer wieder inverse Läufe, die aber eher raumschaffender Natur waren und weniger wirklich eine Anspielstation sein sollten. Positiv daran war, dass der Schwede sich häufig im zentralen Mittelfeld fallen ließ und damit den Ballvortrag seiner Mannschaft verbessern konnte. Die meisten Angriffe landeten aber weiterhin links außen bei Werner und strahlten nicht allzu viel Gefahr aus. Mit der Zeit war außerdem spürbar, dass Hertha nicht mehr jeden Zentrumsangriff zustellen und den Leipziger Aufbau dadurch lahm legen konnte. Insgesamt drückte RB die alte Dame auch immer wieder weit in die eigenen Hälfte, die tiefe Position der Berliner Flügelspieler machte Konter dann fast unmöglich und Befreiungsschläge landeten immer wieder bei den Sachsen. Selbst Upamecano und Ilsanker waren oftt weit in der Berliner Hälfte zu finden, während Demme und Laimer auch mehrmals beide ins letzte Drittel aufrückten, ohne dass die Leipziger Stabilität gefährdet gewesen wäre. Oft wollten die Sachsen Durchbrüche dann förmlich erzwingen, in dem Pässe ein ums andere Mal genau in die gleiche Engstelle gespielt wurden. Leipzig hatte ein gutes Timing für Läufe in die Tiefe nach Rückpässen, die dann gerne von Demme eingesetzt wurden.

Gerade nach der Berliner Führung konnte Leipzig über einige gewonnene zweite Bälle Druck aufbauen und durch mehr Präsenz ganz vorne wurden auch die längen Pässe deutlich gefährlicher. In einer Phase war Mukiele vermehrt weit vorne zu finden und war ein guter Abnehmer für solche Zuspiele.

Fazit: Covics Matchplan ging soweit eigentlich auf, sein Team ließ nur sehr wenige Chancen für den Gegner zu. An der numerischen Präsenz ganz vorne scheiterte es bei RB nicht, die Leipziger kamen einfach kaum in die gefärhlichen Räume. Außerdem war Herthas Pressing sehr gut organisiert und in der Hinsicht die beste Halbzeit der Saison. Die insgesamt umstrittene Schiedsrichterleistung ist natürlich ein Wehrmutstropfen, aber die Mannschaft hat tatsächlich eine Entwicklung vorzuweisen.

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