Dardais tolle Anpassungen bringen drei Punkte gegen Dortmund

Hertha empfing mal wieder einen Gegner aus der Spitzengruppe vor ihr und holte mit einem erneuten Wechsel auf ein 4-1-4-1-System sogar drei Punkte gegen die Favorisierten Dortmunder. Kleiner Nachtrag noch zu letzter Woche, als die Analyse leider ausfallen musste: Wir sind ein bisschen im Abistress und Sky Go hat mich im Stich gelassen…war aber auch kein allzu tolles Spiel.

Das erste Highlight dieses grandiosen Fußballnachmittags bot schon das Interview mit Pal Dardai vor dem Spiel, als dieser sinngemäß zu verstehen gab, dass Anpassungen oft durch die Spieler vorgenommen würden. Das passte in der Tat auch gut zu einigen Beobachtungen in Bezug auf Herthas Reaktionen, wenn der Gegner Dreier- oder Viererkette spielte. Hierbei ginge es dann um die Bewegungen der Flügelstürmer, die gegen Dreierketten höher und enger positioniert sind, was natürlich auch gewisse Reaktionen der Achter nach sich zieht.

Die Grundformationen.

Gegen Dortmund wurde als Ausgangspunkt für diese Anpassungen wieder ein 4-1-4-1-System gewählt. Solche Zahlenspiele können in vielen Fällen nichts bedeuten, weil ein Team in einer anderen Formation oft noch die meisten Muster der vorherigen Telefonnummer mitnimmt, bei Hertha kann man aber ziemlich klar zwischen zwei Systemen mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen unterscheiden, und das in allen Spielphasen. Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass das 4-1-4-1-System deutlich besser zum Berliner Kader passt. Diese Vermutung müsste allerdings nochmal gegen Teams anderen Kalibers getestet werden.

Direkt von Beginn an bekam man zu sehen, was diese Systemumstellung der Hertha gibt: In jeder Spielphase war Hertha aktiver, intensiver und kollektiver ausgerichtet als man das von Dardais Team gewohnt ist. Gegen den Spielaufbau des BVB, der sich in diesen Szenen meist 3-4-1-2-artig formierte, presste Hertha in einem 4-1-4-1, bei dem die Flügelspieler wegen der gegnerischen Dreierkette höher positioniert waren als beispielsweise gegen Bayern. Immer wieder liefen sie auch die gegnerischen Halbverteidiger an und lenkten so den Ball wieder vom eigenen Flügel weg. Dennoch kam Dortmund ein paar Mal gut hinter Herthas Mittelfeldband, wohl auch weil der Deckungsschatten von Darida und Skjelbred durch die etwas tiefere Positionierung nicht ganz so groß war wie sonst.

Dadurch hatte Dortmunds Mittelfeld in tieferen Räumen etwas mehr Platz als gegen das übliche 4-4-2-Pressing, was man in der zweiten Halbzeit kurz bemerken konnte. Sobald sie dort den Ball erhielten, rückten Skjelbred und Darida aber sehr schnell aus ihrer Position gegen den jeweiligen Spieler heraus, was ebenfalls einige Ansätze im Keim ersticken ließ. Dass der Dreierkette eine ungestörte Spieleröffnung gewährt wurde war zwar später noch problematisch, vorher machten Darida und Skjelbred aber einen sehr guten Job als überaus bewegliche Doppelacht mit einer klasse Positionsfindung. Hinter den beiden sicherte Stark ab, der auch situativ mannorientiert gegen Kagawa spielte und/oder in die Abwehrkette zurückfiel. Dort verhielten sich Brooks und Langkamp ebenfalls immer wieder mannorientiert, öffneten durch ihr teilweise auch antizipatives Herausrücken aber nicht wirklich Räume.

Probleme bekam die alte Damevor allem auf der eigenen rechten Seite, wo man sich Castro, Schürrle und Guerreiro ausgesetzt sah, die zuverlässig von Schmelzer bedient wurden. Insbesondere ein falsches Herausrücken von Haraguchi oder Stark (oder von beiden direkt nacheinander), eröffnete den Dortmundern die kleinen Räume, die ihnen für Kombinationen oftmals schon reichen. Gerade Guerreiro tat sich hier im Vergleich zu seinem Mitspieler Durm hervor und konnte einige Male gut ins Zentrum der Hertha einrücken. Durch seine verhältnismäßig tiefe Positionierung war er für Pekarik schwer zu pressen; das Ausweichen Schürrles in den Raum hinter Pekarik machte die Situation auch gewiss nicht leichter. Eine weitere gefährliche Route verlief durch den rechten Halbraum, wo Kagawa sich dann positioniert hatte und durch einige starke Szenen quasi im Alleingang Chancen kreieren konnte. Ebenfalls problematisch war es, dass die Hertha nach Rückpässen kaum noch Druck auf die dort positionierten Dortmunder aufbauen konnte, sodass einige Angriffe länger dauerten, als es hätte sein müssen.

Das alles klingt sehr negativ, was es aber in keinster Weise war: Denn Berlin brachte eine tolle Leistung. Diese zeigte sich aber noch mehr im Spiel nach vorne. Bereits in der ersten Minute zeigte man einen guten Konteransatz, bei dem die oben kurz genannten Vorteile zum Vorschein kamen. Durch die Doppelacht rückte bei Kontern auch Skjelbred mit auf, was mehr Optionen brachte und auch Konter besser absicherte: Nach einem Ballverlust im Zentrum war nun neben einem der Achter der jeweils andere direkt in Gegenpressingreichweite, was durch die Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit von Skjelbred und Darida nochmal unterstützt wurde.

Auch Angriffe über die Flügel konnten nicht einfach isoliert werden, da die Anbindungen in die Mitte oder mindestens eine Rückpassoption mit der Möglichkeit, den Angriff abzubrechen und neu aufzubauen, immer gegeben waren. So konnten auch Konter mit schlechter Ausgangslage zumindest in eine geordnete Ballbesitzphase verwandelt werden. Dies ging aus der Laufstärke der beiden Achter hervor, durch die die Hertha extrem schnell ballnahe Zonen überladen konnte, was auch die Absicherung nochmals verstärkte.

Spielzug mit schneller Verschiebung der Überladung, vor allem Skjelbred (beim zweiten Bild am Ball) und Darida (direkt daneben, im dritten Rechtsaußen) spielen eine wichtige Rolle.

Die eigentlich eher ruhigen Aufbauphasen beinhalteten ähnliche Szenen. Diese Überladungen bilden exemplarisch auch den wohl größten Vorteil der Systemumstellung ab: immerhin schafft man es so, selbst gegen Bayern und Dortmund gute Ballbesitzstrukturen mit gleichzeitig sehr guter Absicherung herzustellen, während die Sechser im 4-2-3-1 zu sehr an ihren Grundraum gebunden sind (eine Ausnahme ist eine Doppelsechs aus Skjelbred und Darida, aber deren Spiele sind schon so lange her). Strukturell gab es während der Angriffe oft eine Art 1-1-4-1 zu beobachten, die Innen- und der ballferne Außenverteidiger mal außen vor gelassen. Skjelbred befand sich dann leicht hinter dem Band aus Darida, den Flügelspielern und dem jeweiligen Außenverteidiger, hinter Skjelbred sicherte Stark durch.

Zu Gute kam der Hertha auch die phasenweise unverbundene Defensive der Gäste. Auch gegen den Ball starteten sie aus einem 3-4-1-2, bei Abstößen stellte Kagawa oft sogar auf einer Linie mit den Stürmern zu. Wurde diese Linie aber mal überspielt, konnte Hertha wie erwähnt ziemlich einfach lokale Überzahlsituationen herstellen. Dortmund zog sich dann recht schnell zurück und hatte sehr weite Wege zum gegnerischen Tor. In den tiefen Zonen wurde die Dreierkette dann schnell von den Wingbacks verstärkt.

Das konnte sich wiederum Kalou einige Male zu Nutze machen, indem er sich neben der Dortmunder Zentrale absetzte und ins Dribbling ging. So profitierte auch er von der Umstellung, da er auch deutlich weniger spielmachend gefordert war und viel bessere Strukturen vorfand. Zwar hatte er im Dribbling nicht unbedingt seinen besten Tag, durch die Vielzahl der Aktionen sprangen aber trotzdem noch gute Szenen heraus.

Insgesamt suchte Hertha immer wieder den Durchbruch über Außen, dabei zeigten die Achter viele Bewegungen hinter den gegnerischen Wingback, während der andere oder Stark Verbindungen ins Zentrum gaben. Wie erwähnt waren Ballverluste dabei durch die Überzahl gut abgesichert, durch die allgemein fluidere Ausrichtung gab es dann unterschiedlichste Situationen. In einigen Szenen tauschten Stark, Skjelbred und Darida auch mal über etwas längere Zeit ihre Positionen, angesichts ihrer sehr breiten Fähigkeitenspektren kein Problem.

Da Hertha schon recht früh in Führung gegangen war und diese Führung verdientermaßen bis zur Halbzeit Bestand hatte, musste Thomas Tuchel sich für den zweiten Durchgang etwas einfallen lassen.

Sein Team ordnete sich im zweiten Durchgang dann auch klar verändert an: Während es in der Defensivformation keine Unterschiede gab, veränderte sich das Ballbesitzspiel der Borussen. So wurde die Dreierkette nach links verschoben, Schmelzer rückte also auf und Ginter weiter nach links, während Guerreiro seine Position vorerst hielt und höchstens etwas höherschob. Nach den ersten Pässen rückte der Portugiese dann in die Mitte ein und stellte dort Überzahl her, was Schürrle durch ein Ausweichen nach links balancierte. So sah die linke Seite oft wie die eines klaren 4-1-2-3 aus, während die andere Seite nur durch Durm konstant besetzt wurde.

Die Berliner hatten aber auf jeden Fall ihre Probleme mit dieser Spielweise und ließen vermehrt Pässe hinter das Mittelfeldband zu, wo Guerreiro schnell Tempo aufnehmen und den Angriff gefährlich auf Herthas Viererkette zu tragen konnte. Aus so einer Situation fiel auch das 1:1, wenn auch Glück dabei war, war der Treffer doch verdient. Das lag auch an der nachlassenden Intensität von Hertha, die nun zunehmend eingeschnürt wurde und nur wenige Entlastungsangriffe fahren konnte. Die geringere Intensität zeigte sich auch in den Ballbesitzphasen, die maßgeblich von den erzeugten Engen lebten.

Herthas Treffer: Pekarik spielt den gestarteten Darida an, der sehr gut in den Lauf von Weiser klatschen lässt, welcher wiederum den Freistoß rausholt, den Plattenhardt so grandios versenkt.

Genau in dieser Phase fiel dann die tolle Reaktion Dardais, der den wiedergenesenen Weiser für Ibisevic brachte und Haraguchi ins Sturmzentrum schickte. Weiser brachte wieder viel Dynamik in Herthas Ballbesitzspiel und durch noch weiteres Einrücken der Außenspieler erzeugte Hertha sogar noch krassere Engen als in der ersten Halbzeit. Auch im Pressing zeigte Weiser eine klasse Leistung und Haraguchi konnte noch weitere Wege gehen als Ibisevic vorher. Das war auch von Nöten, zeigte Hertha doch in dieser Phase einige komische Mannorientierungen, die teilweise große Lücken in den Defensivverbund rissen und nur mit größerem Aufwand gestopft werden konnten.

Schließlich belohnte sich Hertha dann für die tolle Leistung mit einer traumhaften Freistoß, dem eine der typischen Überladungen vorausging, bei der Darida als eigentlich ballferner Achter durch einen diagonalen Lauf mit Ablage entscheidenen Raum für Weiser öffnete.

Wer aber denkt, dass das schon alles war, liegt falsch. Dortmund kam immer einfacher nach vorne, auch weil Hertha kurz wie oben angekündigt das alte 4-4-2-/4-2-4-0-Pressing nutzte, das noch einfacher durchspielt wurde, nachdem Dortmunds mit Pulisic und Dembele zwei spielfreudige und frische Spieler für Durm und Castro gebracht hatte. Darida ließ sich aber schnell wieder ins Mittelfeld fallen und konnte so Hertha noch einmal stabilisieren. Interessant war noch die Einwechslung von Dortmunds Merino für Schürrle, die wohl für eine steigernde Präsenz von Dembele und Pulisic beitragen sollte. Letztlich half das aber auch nicht mehr – eine Rudelbildung und zehn lange Minuten später hatte Hertha den Dreier sicher.

Fazit: Hertha hat nice gespielt, die sollen das mal jede Woche machen.

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